Viele Unternehmen stehen sich selbst im Weg, wenn es um das Erreichen ihrer Ziele geht. Zum Beispiel durch einen Umgang mit Fehlern, der zwar Schuldige (Warum du auf Fehlerkultur setzen solltest statt auf die Schuldfrage) ausfindig macht, aber nicht dafür sorgt, dass weniger Fehler geschehen. Oder weil das Vertrauen in die Mitarbeiter:innen und ihr Vermögen zur Agilität fehlt (Agilität und Angst vor Kontrollverlust – was kannst du tun?). Oder durch eine Haltung, die alles andere als agil ist, weil sie in Tools (Digitale Tools – für deine Agilität öfter Fluch als Segen!) ihr Heil sucht.
Die Ursache für diese verschiedenen Probleme ist das Fehlen eines wesentlichen Elements agiler Wirksamkeit: das Vertrauen in die Zusammenarbeit und in die Kraft der Kommunikation. Ich stelle hier einen klassischen Versuch vor, dieses fehlende Vertrauen zu kompensieren. Ein Irrweg, weil er zu noch größeren Problemen führt: der Weg über Verträge.
Warum überhaupt Verträge?
Ein wesentlicher Schritt für fast alle Unternehmen, die vor größeren Aktivitäten und Veränderungen stehen, ist das Aufsetzen von Verträgen. Vor allem dann, wenn es um die Arbeit externer Dienstleister geht. Zum Beispiel, wenn Softwareentwickler als Dienstleister engagiert werden. Dann werden detaillierte Verträge aufgesetzt, in denen festgelegt wird, was bis wann entwickelt werden muss. Und um diese Verträge aufsetzen zu können, wird viel Aufwand betrieben. Vor allem um überhaupt herauszufinden, was benötigt wird und welche Features programmiert werden müssen. Alle Eventualitäten landen in so einem Vertrag. Und warum wird das gemacht? Weil damit Sicherheit erreicht werden soll. Die Sicherheit, dass du das bekommst, was du haben willst. Dass du im Zweifelsfall den Vertragspartner verklagen kannst, wenn er nicht das liefert, was im Vertrag steht.
Das Problem ist, und das sieht man sehr stark in allen Projekten, in denen komplexe Umstände wirken: Die Realität wird immer anders sein als man sie vorhersehen konnte. Sicherheit wird man durch einen solchen Vertrag nur sehr bedingt erhalten. Selbst die Klage ist ein unsicherer Kandidat. Schon deshalb, weil du, wenn es so weit gekommen ist, kaum noch Energie zum Klagen hast. Weil es wichtigere Baustellen gibt, um das Überleben deines Projektes – oder gar deines Unternehmens – zu sichern.
Wenn du bei deinem Partner, deinem Dienstleister, ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis hast, weil du merkst, dass du seiner Arbeit nicht ganz traust – dann setze auf vertrauensbildende Maßnahmen. Gehe mit ihm ein Stück des Weges, strebe kleinere Ziele an. Wenn ich in ein Segelflugzeug steige und merke, dass etwas nicht stimmt, dann zücke ich nicht mein Handy und rufe meinen Versicherungsvertreter an, um einen neuen Vertrag abzuschließen. Ich überprüfe, ob das Flugzeug flugtauglich ist und handle danach.
Verträge schwächen deine Veränderungsfähigkeit
Ein noch größeres Problem als das Misstrauen ist aber: Verträge schwächen die Veränderungsfähigkeit. Denn sie suggerieren: Ich habe den Wandel im Griff, schließlich weiß ich genau, was in zwei Jahren ist, das habe ich sogar vertraglich fixiert. Nun, wir haben in dieser Welt nichts wirklich im Griff. Alles kann sich jederzeit ändern. Oder um diesen Gedanken positiv zu wenden: Wir können immer wieder eine neue Welt entdecken. Wenn man eben auf Agilität und Veränderungsfähigkeit setzt – und nicht primär auf Verträge.
Agilität rechnet mit Veränderung. Wenn du agil vorgehst, dann kennst du grob die Richtung, in die du gehst. Du denkst: ‚Hey, es wäre cool, Indien zu entdecken.‘ Aber du weißt auch, dass dir immer etwas in die Quere kommen kann. Aber dieses Etwas, Amerika, die neue Welt, kann sogar noch cooler für dich sein. Das erkennst du aber erst wenn du dort bist. Du kannst es nur erkennen, wenn dich eben kein Vertrag einschränkt, der besagt, dass es nur darauf ankommt Indien zu entdecken.
Also gar keine Verträge?
Natürlich brauchen wir auch Verträge. Es geht mir auch nicht darum, Verträge per se abzuwerten. Aber ich finden die Idee eines respektvollen Umgangs miteinander, bei dem die Kommunikation miteinander wichtiger ist das Einhalten von Verträgen, wesentlich wirksamer. Denn Verträge schränken dich und deine Mitarbeiter:innen und auch deine Dienstleister:innen in einer Weise ein, die zu schlechteren Ergebnissen führt.
Agilität sorgt für Flexibilität, weil sie auf die Kraft der kleinen Schritte zählt. Eine Kraft, die auch geeignet ist, Vertrauen aufzubauen oder aus berechtigtem Misstrauen die richtigen Schlüsse zu ziehen, bevor es alle Beteiligten teuer zu stehen kommt. Eine Kraft, die dich auf deinem Weg beflügelt und dich vielleicht sogar neue Welten entdecken lässt.