„Was stimmt nicht mit unseren Mitarbeitenden? Sie funktionieren nicht! Wir haben viele Anfragen, die Auftragslage passt. Aber unsere Leute performen nicht richtig. Sie sind nicht effizient genug. Wenn du, Elmar, mich also danach fragst, wo unser Problem liegt, dann muss ich ganz klar sagen: Unsere Mitarbeitenden arbeiten nicht richtig. Toll wäre, wenn du anhand von Messwerten herausfinden könntest, wer an welcher Stelle unproduktiv ist.“
Diese Antwort, die mir ein Kunde vor einiger Zeit gab, irritiere mich. Denn sie offenbarte: Das Menschenbild meines Kunden unterscheidet sich stark von meinem. Und es widerspricht meiner obersten Direktive …
Das Beste
In jeder Retrospektive, die wir mit unseren Kunden durchführen, mache ich am Anfang deutlich: Egal, was wir nun erfahren, unabhängig davon, welches Ergebnis wir herausfinden – müssen wir Folgendes verstehen und fest daran glauben: Alle haben ihr Bestes getan, was sie in Anbetracht ihres damaligen Wissens, ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten, der verfügbaren Ressourcen und der gegebenen Situation tun konnten.
Dahinter steckt die tiefe Grundüberzeugung, dass Menschen nicht absichtlich etwas falsch machen. Sie tun das, von dem sie annehmen, dass es das Beste ist in der gegeben Situation.
Und deshalb hab ich meinem Kunden geantwortet: „Ich werde nicht auswerten, wer wann zu wenig arbeitet. Denn das ist nicht euer Problem! Die Frage ist doch viel eher: Wie schafft ihr es, eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befähigen, damit sie gute Leistung bringen können. Was brauchen sie dazu?“
Also haben wir losgelegt und überprüft:
Haben deine Mitarbeitenden das nötige Wissen? Haben sie alle Infos, die sie brauchen? Kennen sie die übergeordnete Strategie? Wissen sie, wo euer Unternehmen hingeht?
Verfügen deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über alle Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie brauchen, um gut arbeiten zu können? Menschen, die beispielsweise vier Jahrzehnte auf einem Rechenzentrum gearbeitet haben, können sich nicht von heute auf morgen reibungslos auf eine Cloud-Lösung umstellen. Sie brauchen deine Hilfe dazu.
Haben deine Mitarbeitenden alle nötigen Ressourcen? Das fängt beim Rechner und dem Schreibtisch an und geht noch deutlich darüber hinaus.
Andere Führung gefragt
Mit diesen Fragen im Hinterkopf führst du anders – mit einem Menschenbild, das deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerecht wird. Und du behebst Schwachstellen in den Prozessen wirklich effektiv – anstatt nur auf die Leistung deiner Mitarbeitenden zu schauen.
Deshalb kann ich dir ans Herz legen: Vertraue deinen Mitarbeitenden! Sie sind (in den allermeisten Fällen) nicht das Problem. Suche gezielt nach Schwachstellen in deinem System, die deine Mitarbeitenden daran hindern, effektiv zu arbeiten.
Mit dieser obersten Direktive geht auch eine andere Art der Steuerung einher. Wenn du davon ausgehst, dass deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets ihr Bestes geben, dann steuerst du nicht mehr über Messgrößen. Du steuerst dann über Ziele. Du gibst für dein Team die Richtung vor. Die steuerst dein Team, dein Unternehmen über die Art der Projekte, die ihr angeht. Und über die Produkte, die ihr anbietet.
Vermeide die Steuerung über Prozesszahlen, wie: Wie schnell wird Produkt A fertig? Wie viele Fehler passieren? Wie viel Umsatz geniere ich? Na klar, diese Zahlen helfen dir, dein Business zu verstehen. Sie sind wichtig für dich. Aber steuere nicht deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über diese Messgrößen. Denn so funktioniert effektive Führung nicht.
Ja, es erfordert ein Umdenken, als Führungskraft den Blick aufs System statt auf die Mitarbeitenden zu richten. Das ist auch für unsere Kunden herausfordernd. Aber sie stellen fest: Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich zu befähigen, ist nicht die schnellste Lösung, aber die beste.