Vom 12. bis 14. März 2019 hat die Konferenz Agile beyond IT zum ersten Mal in Berlin-Dahlem stattgefunden. Wir haben dieses ganz neue Event für drei Tage besucht und geben ein paar Einblicke in Themen, Vorträge, Workshops, die uns besonders gut gefallen haben. Dabei spielt Lernen, Lernbereitschaft, Lernfähigkeit in verschiedensten Kontexten eine entscheidende Rolle. Von selbstlernenden Organisationen, über das Erlernen agiler Praktiken außerhalb des bekannten IT Umfelds bis hin zu agilem Lernen an Universitäten wird es deutlich wie wichtig eine neue (vielleicht agilere) Definition von Lernen für die zukünftige Entwicklung von Organisationen und Individuen in Zeiten erhöhter Komplexität ist.
„Anregung zum Andersdenken“ : Eröffnungs Keynote von Anja Förster
Einen besseren Einsteig hätte es in die drei Konferenztage nicht geben können. Anja Förster eröffnet die Konferenz mit Ihren „Anregungen zum Andersdenken“ und setzt direkt ein markantes Statement:
In einer Arbeitswelt, die sich um Umbruch befindet, sind wir gefragt Organisationen zu schaffen, die mehr Potential in den Menschen entfesseln.
Innovationsfähigkeit wird heute von Unternehmen und Mitarbeitern gleichermaßen gefordert. Allerdings gibt es nur wenig Beispiele in der Arbeitswelt, die diese Innovationsfähigkeit wirklich fördern und leben. Dabei ist die wichtigste Erkenntnis, dass es nur durch ein Zusammenspiel von Mitarbeitern mit dem richtigen Mindset und Unternehmen mit der richtigen Kultur gelingen kann die Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt zu meistern. Während viele Unternehmen sich daran abmühen durch Strukturveränderungen Verhaltensveränderungen herbeizuführen und eine Methode nach der anderen im Unternehmen implementieren, vergessen Sie dabei das große Potential von Kultur und Haltung auszuschöpfen. Als Positivbeispiele für eine gelungene, anders denkende Organisation nennt Anja Förster unter anderem den niederländischen Pflegedienst Buurtzorg, sowie die Gemeinde Bohmte, in der seit über 10 Jahren auf nahezu alle Verkehrsschilder verzichtet wird.
Beide Organisationen verstehen sich als lebendiger Organismus, in dem sich Agilität als eine „Neue Art zu Denken“ etabliert haben.
Agile Verwaltung
Wie das agile Manifest und die 12 agilen Prinzipien in der Verwaltung Einzug finden können zeigen Veronika Levesque und Thomas Michl. Die Begriffe Verwaltung und Agil erscheinen auf den ersten Blick nicht unbedingt vereinbar, jedoch stehen gerade die Verwaltungen in der aufkommenden Komplexität vor neuen Herausforderungen. Verwaltungen befinden sich zunehmend im Spannungsfeld zwischen Stabilität, Verbindlichkeit, Rechtstreue und Dienstleisterrolle, Fachexpertise sowie der Vermischung mit politischen Aufträgen. In vielerlei Hinsicht können hier die agilen Prinzipien einen Kompass für eine Neuausrichtung der Verwaltungen bilden. Das Forum Agile Verwaltung setzt sich für die Adaption von agilen Werten & Praktiken in der Verwaltung ein und betritt damit neue Wege der Agilität außerhalb der IT.
Das Fazit der beiden Speaker: „Unsere Tradierten Strukturen sind nicht auf Komplexität ausgerichtet. Das führt zu Frust! Wir möchten selbst die agile Sprache in die Verwaltungssprache übersetzen und nicht auf „Best-Practises“ warten“
Die agile Bäckerei
Wie es gelingen kann agile Methoden außerhalb der IT erfolgreich einzusetzen, zeigen Daniel Dubbel und Sebastian Daume anhand Ihres Beispiels einer familiengeführten Großbäckerei mit über 30 Filialen. Hier haben die beiden Agile Coaches einen Handwerksbetrieb dabei unterstützt ihren Betrieb fit für die Zukunft zu machen. Dabei berichten sie, dass der ursprüngliche Wunsch oder Bedarf nicht lautet „bitte helft uns agil zu werden“ sondern sich vielmehr im Laufe der Zusammenarbeit eine agile Arbeitsweise entwickelt hat. Nach und nach konnten agile Tools in den Arbeitsalltag integriert werden. Interessanterweise kam der Begriff „agil“ erst recht spät in der Zusammenarbeit ins Gespräch und auch aus unserer eigenen Erfahrung können wir bestätigen, dass es oftmals hilft die agilen Buzzwords zu vermeiden und mit einer guten Prise gesunden Menschenverstands an Problemstellungen heranzugehen und schrittweise gemeinsam mit dem Kunden einen Weg hin zur Agilität zu finden.
Scrum4Schools, Scrum an Unis und das Lernen der Zukunft
Für das Feld „außerhalb der IT“ spielt Scrum in vielen Lehr- und Lerneinrichtungen eine zunehmend wichtige Rolle. Auch wenn es sich bei den meisten Beispielen und Konferenzbeiträgen um Pilotprojekte handelt, wird deutlich, dass insbesondere das Bildungssystem eine „agile Erneuerungskur“ nötig hätte. Können Schulen mit den aktuellen pädagogischen Konzepten Ihre Schüler auf die Komplexität des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft vorbereiten? In vielerlei Hinsicht wird dies mittlerweile kritisch hinterfragt und nach Alternativen gesucht.
Welche Potentiale schlummern in neueren Modellen der Wissensarbeit? Wie können wir die Fähigkeit, sich an komplexe Umgebungen anzupassen, selbstverantwortlich und selbstorganisiert zu handeln schon in frühen Jahren fördern? Hierzu gibt es bereits erste Pilotprojekte an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ), die zusammen mit Boris Gloger Consulting einzelne Projekte nach Scrum4Schools umsetzt.
Außerdem experimentiert Detlef Stern von der Hochschule Heilbronn mit agilem studieren in verschiedenen Informatik-Vorlesungen. Seine Erfahrungen und Erkenntnisse teilt er regelmäßig im gleichnamigen Blog.
Im Workshop „Wir entwickeln uns selbst“ von Natalija Hellesoe haben die Teilnehmenden in Gruppenarbeit eine eigene Vision vom Lernen der Zukunft entwickelt. Den Kern des Workshops bildet die Integration von Lernen in den Arbeitsalltag. In heutigen komplexen Arbeits-/Handlungs-/Wissensfeldern sollte kontinuierliches Lernen eine Voraussetzung sein, die von der Organisation und Ihren Mitgliedern gleichermaßen als wertstiftend angesehen wird.
Unser Fazit
Die agile beyond IT Konferenz hatte eine gelungene Premiere und das Thema Agilität in einen anderen Fokus gerückt. Für eine klassische Konferenz mit weniger interaktiven Sessions wie man sie aus der agilen Szene kennt (Open Space, Lean Coffee, etc…) war genügend Raum zum Austausch und für Feedback gegeben. Jeder Teilnehmer konnte seine Beitragsfavoriten mit LEGO-Steinen bewerten und jede Sessions durfte mit einem Feedback-Smiley belegt werden. Unter den rund 170 Teilnehmenden waren nach unserer Schätzung viele Agilisten, weniger Teilnehmende aus dem „Beyond IT“ Bereich.
Das gesamte Programm findet Ihr hier: Programmheft Agile beyond IT 2019
Wir sind gespannt wie sich das Programm und das Teilnehmerspektrum in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Wenn Du Dich für agile Arbeitsweisen interessierst, oder Dich gerne zu diesem Thema mit uns austauschen möchtest, nimm gerne Kontakt zu uns auf.